Hinweis: Bei diesem Artikel handelt es sich um rein informativen Inhalt. Die Informationen ersetzen zu keinem Zeitpunkt eine ärztliche Behandlung und Beratung. Entscheidungen bzgl. Medikation und Therapie müssen unbedingt ärztlich abgesprochen werden.
Dieses Szenario dürfte vielen Rheumatikern bekannt vorkommen. Nach einer leichten Infektion treten Wochen später starke Gelenkschmerzen und -entzündungen auf, die Betroffene mit einem großen Fragezeichen zurücklassen. Erst nach einiger Zeit wird klar, dass es sich hierbei um eine Form von Rheuma handelt: Eine sogenannte reaktive Arthritis handelt. Was genau das ist, welche Rolle ein gewisser Erbfaktor spielt, welche Symptome auftreten können und wie ein typischer Krankheitsverlauf aussieht, erfährst Du in diesem Artikel.
Eine reaktive Arthritis ist eine Gelenkentzündung, die als Reaktion nach vorangegangenen Infekten auftreten kann. Auslöser können bakterielle Infektionen des Darms, der Harn- und Geschlechtsorgane oder der Atemwege sein. Chlamydien sind typische Auslöser, insbesondere bei jungen, sexuell aktiven Menschen. Häufig bleibt die Infektion unbemerkt, was die Diagnose erschweren kann. Weltweit tritt die reaktive Arthritis nach entsprechenden Infektionen bei 1-5 % der Bevölkerung auf. In Deutschland leiden etwa 50 von 100.000 Einwohnern darunter, meist jünger als 40 Jahre.
Die Immunreaktion bei der reaktiven Arthritis wird auch durch den genetischen Faktor HLA-B27 bestimmt. Etwa acht Prozent der deutschen Bevölkerung tragen dieses Merkmal. Bei der Hälfte der Betroffenen mit reaktiver Arthritis kann HLA-B27 nachgewiesen werden, was als Risikofaktor für entzündliche Vorgänge im Achsenskelett und einen langwierigen Krankheitsverlauf gilt.
Die Symptome einer vorangegangenen Infektion sind oft mild und werden nicht immer bemerkt und insbesondere zu Beginn der eigentlichen Erkrankung , also den entzündlichen Gelenkbeschwerden, nicht mit einer rheumatischen Erkrankung assoziiert. Vorboten einer reaktiven Arthritis sind hier unter anderem
Die Symptome der tatsächlichen Erkrankung reichen dann von leichten Gelenkschmerzen bis zu starken Gelenkentzündungen. Typischerweise sind die gewichttragenden Gelenke der unteren Extremität, also in erster Linie Knie und Hüften betroffen. Auch Entzündungen außerhalb des Bewegungsapparates können auftreten, z.B. Hautveränderungen, Harnröhrenentzündungen oder Entzündungen der Geschlechtsorgane. Typisch sind auch Entzündungen von Sehnenansätzen und Sehnenscheiden. Die Beteiligung mehrerer Gelenke gleichzeitig und von Finger- oder Zehengelenken ist im Gegensatz zu anderen Formen von Rheuma wie der Rheumatoiden Arthritis hingegen eher selten.
An eine reaktive Arthritis sollte gedacht werden, wenn bei jungen Erwachsenen eine Entzündung eines oder weniger großer Gelenke auftritt und vor kurzem eine Blasen- oder Harnröhrenentzündung, Durchfall oder ein Atemwegsinfekt aufgetreten ist. Der Erregernachweis im Urin oder Stuhl ist ein wichtiger Schritt bei der Diagnose. Zusätzlich werden HLA-B27 und Entzündungswerte wie das CRP oder die Blutsenkungsgeschwindigkeit bestimmt. Ultraschall- und Röntgenuntersuchungen bestimmen das Ausmaß der Entzündung.
Die Behandlung der reaktiven Arthritis zielt darauf ab, Symptome zu lindern und Komplikationen zu verhindern. Schmerzmittel und entzündungshemmende Medikamente wie NSAR oder Kortison sowie kurzfristige antibiotische Therapien können eingesetzt werden. Physiotherapie und unterstützende Maßnahmen wie Kältetherapie können darüber hinaus dabei helfen, die Beweglichkeit so gut wie möglich zu erhalten bzw. wiederherzustellen und Schmerzen zu lindern.
Reaktive Arthritiden heilen in der Regel nach mehreren Wochen bis Monaten aus und verursachen in den meisten Fällen keine dauerhaften Gelenkschäden, münden bei bis zu 20% der Betroffenen jedoch in einen langfristig chronischen Verlauf. So gehört die reaktive Arthritis zur Gruppe der Spondyloarthritiden und kann sich mit der Zeit etwa in Form einer Psoriasis Arthritis oder Morbus Bechterew festsetzen. Sollte auch nach Ausheilen der Erkrankung weiterhin in Schüben auftretende Beschwerden bleiben, sollte entsprechend auch weiterhin an die Möglichkeit einer entzündlich rheumatischen Erkrankung gedacht werden.
Gerd Herold: Innere Medizin (2020), S. 671)